Regiestatement 

von Matthias Koßmehl 

 

Ich bin in der Nähe von Berchtesgaden aufgewachsen, in einer Landschaft, die für viele das Bild Bayerns schlechthin verkörpert: majestätische Berge, klare Seen, eine Idylle wie auf Postkarten. Für Touristen ist es ein Sehnsuchtsort, ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg von Salzburg nach Schloss Neuschwanstein – ein Paradies auf Zeit.

 

Für Geflüchtete dagegen ist es kein gewähltes Ziel, sondern Zwangsaufenthalt und Ort der Hoffnung zugleich. Sie bleiben oft jahrelang, während sie auf Entscheidungen warten, die über ihre Zukunft bestimmen.

 

Als Filmemacher war es für mich faszinierend zu beobachten, wie die Ankunft der Asylsuchenden die Landschaft meiner Kindheit veränderte. Plötzlich wurden abgeschlossene Dorfgemeinschaften Teil einer globalen Realität. Tourismus und Flucht, Fremdes und Vertrautes trafen hier unmittelbar aufeinander.

 

So stieß ich auf das Café Waldluft, eine ehemalige Pension am Fuße des Obersalzbergs. Dort fanden 35 Menschen Zuflucht. Die Besitzerin, von den Geflüchteten liebevoll „Mama Flora“ genannt, machte das Haus zu einem Ort, der mehr bot als bloße Unterkunft. Inmitten hitziger Debatten über Überforderung und Integration entstand ein Mikrokosmos, in dem Zusammenleben schlicht funktionierte – menschlich, unkonventionell, jenseits politischer Schlagworte.

 

Dabei blickt das Café Waldluft selbst auf eine bewegte Geschichte zurück. Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, beherbergte es die ersten Touristen Berchtesgadens. Sein damaliger Besitzer, zugleich Bürgermeister des Ortes, floh mit seinen Kindern vor den Nationalsozialisten in die USA. Zur selben Zeit wurde Floras Schwiegervater vom Obersalzberg vertrieben, als Hitler den Berg zu seinem Führerhauptquartier ausbauen ließ. Er erwarb daraufhin das Café Waldluft. Während des Krieges wurde es erneut ein Zufluchtsort – diesmal für Kinder, die im Rahmen der Kinderlandverschickung dort untergebracht waren und von der Familie Kurz betreut wurden.

 

Mit Café Waldluft möchte ich diesen besonderen Ort sichtbar machen – als Spiegel der großen Fragen unserer Zeit im Kleinen. Der Film zeigt, dass Menschlichkeit auch inmitten von Unsicherheit und Angst Bestand haben kann. Vielleicht ist er ein Plädoyer, vor allem aber Ausdruck der Hoffnung, dass am Ende die Menschlichkeit überwiegt.